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Staatsmann Khlesl und die Moral

Im Herbst 1611 reist Bischof Melchior Khlesl zum Kurfürstentag in Nürnberg. Als Chef der königlichen Delegation brennt er darauf, für Matthias, König von Böhmen und Ungarn, zu werben.

König Matthias strebt danach, Kaiser zu werden. Dafür braucht er die Stimmen der sechs Kurfürsten. Seine eigene Kurstimme als König von Böhmen zählt erst einmal nicht. Khlesls Aufgabe gleicht der Quadratur des Kreises. Die Geistlichen Kurfürsten lehnen Matthias ab, weil er ihnen nicht katholisch genug vorkommt.

Khlesl muss den Erzbischöfen vermitteln, wie katholisch sein Herr ist. Gleichzeitig braucht Matthias die protestantischen Kurfürsten, die natürlich eine katholische Kaiserpolitik zu verhindern suchen.

Khlesl setzt aufs Tarnen und Täuschen. Das liegt ihm im Blut oder es kommt aus seiner emotionalen Intelligenz. Schon in seiner Hochzeit als Offizial des Fürstbischofs von Passau in Wien und Generalreformator hat er gelernt, erfolgreich aus der Schwäche heraus zu agieren. Psychologie, Manipulation und kleine Schritte sollten helfen, den verlotterten Klerus zu reformieren und die Menschen in den landesherrlichen Städten und Märkten zu katholisieren.

Als er seine Anliegen am Hof voranbringen musste, setzte er auf List und Intrige. Er wurde zum gerissenen „Machiavellisten“. Für dieses Schimpfwort stand der florentinische Diplomat und Philosoph Niccolò Machiavelli Pate. Lügen und List gehören für diesen Denker der Renaissance zum nötigen Rüstzeug der Politik und waren unentbehrliche Machttechniken eines erfolgreichen Monarchen.

Das Ziel vor Augen

Khlesl hat zwar das Gefühl, dass sich ein solches Vorgehen für einen Priester nicht gebührt. Doch das Ziel verlange es – denkt er. Jenen, die im Glauben und in der Politik ausschließlich den geraden Weg gehen wollen, wirft er Weltfremdheit vor. Auch die Heiligen Drei Könige sollen auf ihrem Weg nach Bethlehem den geraden Weg gewählt und damit das Christuskind in höchste Gefahr gebracht haben. Mit Blick auf diese Geschichte riet Papst Franziskus den Christen zu Schläue und Gerissenheit. Klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben zu sein, habe Jesus seinen Jüngern nahegelegt, zitierte Franziskus das Matthäusevangelium.

Khlesl weiß, wie gut er die zweifelhaften Künste beherrscht. Später wird er gegenüber dem radikalen Katholiken Ferdinand II. betonen, wenn es sein müsste, würde er gegen den Himmel reden. Also macht sich Khlesl auf nach Nürnberg mit zwei Arbeitspapieren. In den Glaubensfragen gibt er sich bei den einen höchst katholisch und bei den anderen protestantenfreundlich. Seine Rechnung geht auf. Als der Wahlkrimi vorüber ist, bricht König Anna in Tränen aus.